Wem gehört der 300 SL?

Juni 13, 2022 7:17 PM

Wem gehört der 300 SL?

Chronik eines bürokratischen Irrsinns – Erkenntnisse eines privaten Ermittlers

Im Jahr 2009 wird einem süddeutschen Liebhaber auf einer namhaften Rallye ein 300 SL aus den 1950er Jahren gestohlen. Er meldet das Auto mit amtlichen Kennzeichen ES-SL 57H (aus Datenschutzgründen leicht geändert) bei der Polizei gestohlen, informiert seine Versicherung, um den Wert des Fahrzeugs entschädigt zu bekommen.

Die Versicherung bekommt Fahrzeugpapiere und Schlüssel des Autos und bezahlt eine Entschädigung in Höhe von 600.000 Euro – Laut den Allgemeinen Kraftfahrtbedingungen geht das Fahrzeug nun in den Besitz des Versicherers über. Im Falle eines Auffindens muss der Eigentümer logischerweise die Entschädigung an den Versicherer zurückzahlen. Einen rechtlichen Anspruch auf Herausgabe des Fahrzeugs hat der Eigentümer jedoch nicht.

Ohne Fahrzeugpapiere ist ein Eigentumsnachweis im juristischen Sinne schwer zu erbringen
Ohne Fahrzeugpapiere ist ein Eigentumsnachweis im juristischen Sinne schwer zu erbringen

2015 wird der Mercedes 300 SL in den Niederlanden sichergestellt. Im Umfeld einer „szenebekannten“ Familie werden auch weitere Fahrzeuge sichergestellt. 2021 sind die Ermittlungen abgeschlossen, das Fahrzeug wird freigegeben. Nun stellt sich die Frage, wem gehörte der 300 SL ursprünglich? Man könnte an diese Stelle auch unterstellen, dass die niederländischen Behörden kein gesteigertes Interesse an der Aufklärung dieser Frage haben, da das Fahrzeug in einer staatlichen Auktion einen stattlichen Betrag in die Kassen spülen würde. Doch der Reihe nach.

Eine Nachfrage bei der Staatsanwaltschaft Stuttgart ergibt 2022, dass die Diebstahlakte nach 6 Jahren, also bereits 2015 vernichtet wurde. Der Diebstahl eines KFZ verjährt nach 5 Jahren. Eine KBA-Anfrage ergibt keine Einträge, da die Daten 2016 nach 7 Jahren gelöscht wurden.

Auch die Versicherungsbranche kann nicht weiterhelfen. Dort werden „automatisch“ nach 10 Jahren Aufbewahrungsfrist die Unterlagen vernichtet, somit sind sowohl die Papiere als auch die Fahrzeugschlüssel unwiederbringlich zerstört. Ein Problem auch für den tatsächlichen Eigentümer, er besitzt nach Zahlung der Entschädigung durch die Versicherung keine Fahrzeugpapiere mehr, die sein Eigentum im juristischen Sinne belegen. Gleiches Thema bei EUCARIS, dem europäischen Pendant zum KBA, mit Sitz in den Niederlanden. EUCARIS kann nicht mit Daten zu dem gestohlen 300 SL dienen, denn nach 10 Jahren werden auch dort die Datensätze zur in der EU gestohlenen Fahrzeugen für immer gelöscht.

FAZIT: Es bleibt spannend, selbst wenn der ursprünglich bestohlene Eigentümer feststeht und alles daransetzt sein Fahrzeug zurückzuerhalten, ist nicht gesagt, dass er es zurückerhält. Rechtlich gesehen ist die Versicherung am Zug, da das Eigentum am Fahrzeug auf sie überging, durch die Vernichtung der Akten, ist auch das nicht mehr zu belegen.

Es kann also durchaus passieren, dass der bestohlene Eigentümer, sofern er das Fahrzeug zurückbekommen möchte, nur die eine Chance hat es zurückzuerhalten: Nur dann, wenn er bei einer Zoll-Auktion in den Niederlanden als Höchstbieter den Zuschlag erhält. Es bleibt also spannend.Die Chronik erklärt anschaulich, warum hochwertige Fahrzeuge nach einem Diebstahl in der Regel mehr als 10 Jahre von der Bildfläche verschwinden, bevor sie irgendwo am Markt verkauft werden sollen.

Chronik eines Diebstahls – 300 SL Wert 1,5 Mio. Euro

2009 - Diebstahl vermutlich in Italien

2015 - nach 6 Jahren: Die Staatsanwaltschaft Stuttgart vernichtet Diebstahlakte (die Verjährung tritt nach 5 Jahren ein)

2015 - nach >6 Jahren: Fahrzeug wird in NL sichergestellt und verwahrt

2016 - nach 7 Jahren: Das Kraftfahrtbundesamt (KBA) Flensburg löscht die Fahrzeugdaten endgültig

2019 - nach 10 Jahren: Die Versicherung vernichtet Akten nach Aufbewahrungsfrist Kfz-Papiere und Schlüssel werden geschreddert

2019 - nach 10 Jahren: EUCARIS (EU-Datenbank) löscht Daten des gestohlenen Fahrzeugs dauerhaft

2021 - nach 12 Jahren: Die niederländischen Behörden geben das Fahrzeug nach 6 Jahren Ermittlungen frei

2022 - nach 13 Jahren: nachdem offiziell kein letzter Halter ermittelt werden kann, soll das Auto zur Auktion freigegeben werden

Ausgang ungewiss


Eine Versteigerung würde Geld in chronisch leere Staatskassen spülen, ein Schelm wer Böses dabei denkt
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